So gelingt die Hypothese für die Abschlussarbeit
Eine Hypothese ist eine wissenschaftliche Annahme, die einen kausalen Zusammenhang zwischen zwei oder mehr Faktoren herstellt. So gut wie jede empirische Abschlussarbeit hat zum Ziel, eine Hypothese aufzustellen und ihre Vorhersagen zu überprüfen.
Vielen Studierenden bereitet die Formulierung der Hypothese für ihre Bachelor- oder Masterarbeit Kopfzerbrechen. Dabei ist es gar nicht so kompliziert, wenn bestimmte wissenschaftliche Grundprinzipien beachtet werden. Im Folgenden wird Schritt für Schritt erklärt, worauf es beim Aufstellen einer Hypothese ankommt.
Schritt für Schritt zur Hypothese
Zuerst einmal ist es wichtig zu wissen, dass eine Hypothese zwei Variablen beinhalten muss: eine abhängige und eine unabhängige. Nach dem Prinzip der Kausalität bezeichnet die abhängige Variable die Ursache und die unabhängige Variable bezieht sich auf die (vermutete) Wirkung der Hypothese. Nehmen wir dieses Beispiel:
Hypothese: Je mehr Sauerstoff sich im Wasser befindet, desto mehr Kaulquappen entwickeln sich zu Fröschen.
In diesem Fall wäre die Menge des Sauerstoffs im Wasser die unabhängige Variable und die Anzahl der Frösche die abhängige Variable. Um diese Hypothese zu überprüfen, könnte eine statistisch signifikante Anzahl von Aquarien mit unterschiedlich starker Sauerstoffzufuhr mit Kaulquappen befüllt werden. Wenn alle anderen Faktoren gleich sind, abgesehen vom Sauerstoffgehalt, und sich in den Becken mit mehr Sauerstoff auch mehr Kaulquappen zu Fröschen entwickeln, könnte man die Hypothese als bestätigt betrachten – vorausgesetzt, das Experiment-Design ist nachvollziehbar und lässt sich andernorts von anderen Forschern reproduzieren und bestätigen.
Gerichtete vs. ungerichtete Annahme
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Hypothesen: gerichtete und ungerichtete. Eine ungerichtete Hypothese nimmt zwar einen Zusammenhang an, gibt dabei aber keine Richtung vor. Ein Beispiel wäre:
Hypothese: Der Sauerstoffgehalt im Wasser beeinflusst die Entwicklungsrate der Kaulquappen.
In wissenschaftlichen Arbeiten werden hingegen häufiger gerichtete Hypothesen verwendet, weil sie einen höheren empirischen Aussagegehalt haben. So könnte das Beispiel als gerichtete Hypothese formuliert werden:
Hypothese: Ein höherer Sauerstoffgehalt im Wasser ermöglicht eine höhere Entwicklungsrate der Kaulquappen.
In diesem Fall würde die Hypothese einen positiven Einfluss von Faktor A (Sauerstoffgehalt) auf Faktor B (Entwicklungsrate) prognostizieren.
Achtung: Kausalität ≠ Korrelation!
Eine Falle, in die Studierende wie Forscher nur allzu gerne tappen, ist, beim Überprüfen ihrer Hypothese Kausalität und Korrelation zu verwechseln. Kausalität ist das Prinzip von Ursache und Wirkung, wobei klar nachvollziehbar sein muss, dass ein Faktor A (Aktion) einen Faktor B (Reaktion) beeinflusst.
Korrelation setzt hingegen keinen klaren Zusammenhang voraus. Der Begriff bezeichnet lediglich die Beziehung zwischen zwei oder mehr Zuständen, wobei der eine Zustand den anderen nicht unbedingt verursacht. Beispielsweise wäre es möglich, dass in einer bestimmten Region die Geburtenrate stagniert, während gleichzeitig die Storchenpopulation zurückgeht. Hierbei würde es sich um zwei korrelierende Zustände handeln – doch eine Kausalität herzustellen wäre albern.
Auf Reproduzierbarkeit achten
Um eine Kausalität mit der Untersuchung einer Hypothese zu bestätigen, bedarf es eines reproduzierbaren Experiments. Dabei ist es wichtig, alle anderen Faktoren außer der untersuchten Aktion und Reaktion, soweit möglich, auszuschließen. Beispielsweise wäre es vorstellbar, dass das oben erwähnte Kaulquappen-Experiment von anderen Forschern wiederholt wird und vollkommen andere Ergebnisse liefert. Die beiden Forschergruppen müssten sich also auf die Suche nach möglichen Fehlerquellen machen, die die abweichenden Ergebnisse erklären. Wurde vielleicht anderes Futter verwendet? Wie sieht der Nährstoffgehalt in den Aquarien aus? Sind alle Kaulquappen von derselben Spezies? Auch wenn sich die erste Forschergruppe bemüht hat, für alle Kaulquappen in allen Aquarien die exakt selben Bedingungen zu schaffen (abgesehen vom Sauerstoffgehalt), könnten sie andere Umwelteinflüsse, die eine Rolle spielen, übersehen haben. Zum Beispiel könnte sich herausstellen, dass die Aquarien mit dem höheren Sauerstoffgehalt entweder näher oder weiter weg vom Fenster standen und die höhere Entwicklungsrate daher eigentlich auf mehr bzw. weniger Licht zurückzuführen ist, während der Sauerstoffgehalt im Wasser lediglich damit korreliert.
Hypothesen müssen wiederlegbar sein
Die letzte Grundvoraussetzung für eine solide wissenschaftliche Hypothese ist, dass sie widerlegbar sein muss. Man bezeichnet diese Eigenschaft als Falsifizierbarkeit. Es muss also möglich sein, die Hypothese mit einem Experiment zu überprüfen und ggf. zu widerlegen. Ein Beispiel für eine nicht-falsifizierbare (also wissenschaftlich inkorrekte) Hypothese wäre: „Bigfoot existiert“. Zwar könnte die Hypothese eines Tages bestätigt werden, indem Bigfoot gefunden wird. Widerlegt werden könnte sie jedoch nie – denn selbst wenn jeder Quadratzentimeter in Bigfoots vermeintlichem Habitat umgedreht würde, könnte niemals ausgeschlossen werden, dass er sich nicht sonst irgendwo versteckt. Damit die Hypothese dem Prinzip der Falsifizierbarkeit folgt, müsste man sie umdrehen:
Hypothese: Bigfoot existiert nicht.
Durch die Bestätigung der Existenz von Bigfoot wäre die Hypothese jederzeit widerlegbar. Mit jedem Tag der erfolglosen Suche nach Bigfoot steigt ihre Wahrscheinlichkeit. Zu 100 % bestätigen ließe sie sich jedoch nie. Es ist ein gängiges Phänomen in der Wissenschaft, dass solide Theorien sich zwar widerlegen, aber niemals mit Sicherheit bestätigen lassen. Selbst Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, deren Vorhersagen in unzähligen Experimenten überprüft wurden, wird niemals absolut bestätigt sein. Schließlich würde schon ein Experiment reichen, das ihren Vorhersagen widerspricht, und sie wäre widerlegt.
Wie bedanken uns bei den akademischen Experten von ACAD WRITE für diesen Gastbeitrag.